Der Spaten und sein Wert


Der erste Schnee fällt, als die Gruppe von ihrer Reise aus der Ta-Iga nach Mara zurückkehrt. Der Himmel ist nicht bewölkt und der Schlamm, der anfangs die Geschwindigkeit minderte, ist inzwischen getrocknet. Man ist frohen Mutes, da der Schatz ohne weitere Probleme gehoben werden konnte. Von anderen Abenteurern hört man immer wieder von gefährlichen Bestien und anderen Dingen, die mutigen Helden Kurzweil und kurzes Leben bescheren. Man verzichtet gerne auf dergleichen. Man zieht wieder durch das Westtor nach Mara ein. In der "Kellerkneipe" findet man Orn ebenfalls wieder vor. Doch vorerst zieht man sich in ein Zimmer zurück, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Es ist Abend.


Artax: "Wir sollten den Kneipengästen nicht zuviel erzählen. Auf Diebe des Nachts kann ich verzichten."

Shantilla: "Aber wir sollten doch von unseren Heldentaten berichten. Wir werden Berühmtheit erlangen, über die Grenzen dieses Landes hinaus."

Pireus: "Wenn du zuviel sagst, dann prügeln wir dich über die Grenzen dieses Landes hinaus. War das richtig, Artax?"

Artax: "Gut gesagt. Aber wir können erst morgen wieder versuchen, den Spaten zu verkaufen, also laßt uns aufpassen, was Shantilla sagt."

Shantilla: "Ihr habt kein Vertrauen in mich? Aber alle wahren Genies werden zu ihrer Zeit verkannt. Schämt euch!"

[Lange Nacht. Nächster Morgen.]

Kelf: "Eigentlich könnten wir uns doch ein besseres Frühstück leisten. Rantollo sollte nicht mehr für uns bestellen. Sonst gibt's nur das billigste auf der Karte."

Rantollo: "Wir wollen nicht auffallen, das ist die Devise. Wieso bist du denn immer so griesgrämig vor dem Frühstück? Hier, nimm noch einen Schluck Wasser und denke an das Geld, was du dabei sparst."

Kelf: "Pah, du wirst nie in den richtigen Kategorien denken lernen."

Shantilla: "Ich werde eine große Auktion veranstalten. Mit meinem kaufmännischen Auftreten wird es ein Leichtes sein, den Spaten gut zu verkaufen."

Artax: "Ich werde lieber mal bei der Diebesgilde wegen des Spaten nachfragen."

Kelf: "Ich bei der Magiergilde."

Pireus: "Und ich bei meinem Lieblingskrämer."

Diabba: "Ich warte hier auf euch; bis in etwas drei Stunden."

[Alle in der Gegend verstreut und einzeln.]

Shantilla: "Höret, ihr Leute, ich habe einen Spaten zu verkaufen, der leuchten kann. Also: gut für Zwerge, die in ihren Höhlen arbeiten oder für Nachtarbeiter. Und billig wie noch nie! Dutzende sind schon verkauft. Dieser spezielle... "

Volk: "So ein Blödsinn."

[An anderer Stelle.]

Diebesgilde: "So ein Blödsinn; selbst wenn er geklaut wäre, nähmen wir ihn nicht. Frag doch mal bei der Magiergilde."

[An wieder anderer Stelle.]

Magiergilde: "So ein Blödsinn; hat dich etwa die Diebesgilde geschickt?"

[An ganz anderem Ort.]

Krämer: "So ein Blödsinn; aber ich kenne da einen spleenigen Adligen, der ihn vielleicht kaufen würde. Hier ist seine Adresse."

[Wieder in der "Kellerkneipe".]

Pireus: "Der Krämer hat mir die Adresse eines gewissen Rern von Waldeck gegeben. Er könnte an dem doofen Spaten interessiert sein."

Artax: "Wenn du schon so an die Sache herangehst, kann das nichts werden. Du bist schließlich der Verkäufer. Du mußt dir sagen: das ist ein wertvoller, gebrauchsfähiger Spaten. Ein Unikat. Überaus praktisch."

Pireus: "Willst du ihn kaufen?"

Diabba: "Es bleibt wohl nur dieser Adlige auf der Liste. Ich glaube, das ist eine Aufgabe für Kelf. Er kennt sich in dieser Gesellschaftsschicht besser aus."

Shantilla: "Ist diese Schnitzeljagd nach einem Käufer für den Spaten wirklich notwendig? Der Spaten ist doch allerhöchsten einige Silberstücke wert."

Titan: "Wir können ihn als Gruppeneigentum benutzen. Wenn wir dann mal im dunkeln einen Schatz heben müssen, käme er uns sehr gelegen."

Artax: "Das wäre ein tolles Schauspiel... "

Pireus: "Dann verlangen wir Eintritt und kommen auch so zu unserem Geld."

Kelf: "Na schön, der Ritter ist der letzte Versuch. Ich werde den Ritter Rern von Waldeck aufsuchen und ihm das Ding zeigen. Gebt mir diesenn wundervollen, glänzenden, hervorragenden und allerbesten Spaten von der ganzen Welt."

Artax: "Sehr gut!"

Kelf: "Wartet hier auf mich. Ich denke, ich werde schnell wieder hier sein. Dann kann Titan den Spaten als Gruppeneigentum verwalten. Er ist schließlich unser Chefbuddler."

[Kelf vor Rerns Haus.]

Kelf: "Lakai, sage deinem Herrn, Kelf von Falkenstein möchte ihn sprechen. Es handelt sich um eine geschäftliche Angelegenheit."

Lakai: "Ihr wollt dem Hause Falkenstein angehören? In diesen Lumpen käme kein Adliger daher!"

Kelf: "Sieh, mein Wappen!"

Lakai(pikiert): "Sehr wohl. Ich habe mich wohl geirrt."

[In Rerns Haus.]

Rern: "Willkommen, werter Kelf. Wie bekommt euch und der Familie der Wintereinbruch in Falkenstein?"

Kelf: "Es ist lange her, daß ich zuhause war. Doch es wird wie jedes Jahr sein. Hier habt ihr ein schönes Haus, Ritter. Inmitten der Stadt, ihr scheint viel Geld zu haben."

Rern: "Es ist dies das Haus des Fürsten von Fuchshain, in dessen Namen ich Herold bin. Er kann nicht über finanzielle Sorgen klagen. Wo habt ihr euch den verdingt? In keiner guten Position, nehme ich an. Eure Kleidung verrät euren Status nicht."

Kelf: "Fürwahr, nicht gar so lukrativ wie ihr. Aber ich habe von eurem Faible für exotische Gegenstände gehört. Ich habe einen leuchtenden Spaten erstanden, der eurer Interesse erregen sollte. Schaut ihn euch gut an. Wieviel ist er euch wert? Bedenkt, ihr werdet keinen zweiten derart finden. Ein Geschäftsmann sprach von mindestens mehreren Silberstücken. Ich bin sofort hierher gekommen, um ihn euch zu zeigen. Ich eilte dabei in einem Maße, welches es mir nicht gestattete, die Kleidung zu wechseln."

Rern: "Ich bin mir sicher, daß er mein Interesse erregt. Laßt sehen... "

[Rern konsultiert eine Tabelle (Regelheft:-)]

Rern: "Mir scheint, er ist 200 Goldstücke wert."

Kelf: "Was?? Aber wenn ihr es sagt! Abgemacht!"

Rern: "Wollt ihr nicht noch einen Moment diesen Vorschlag überdenken? Es war nur eine erste Überlegung."

Kelf: "Meint ihr das, was ihr sagt, nicht ernst?"

Rern: "Unter Freunden geht es vielleicht etwas billiger? Ich bitte euch."

Kelf: "Aber ihr steht doch zu eurem Wort, Ritter? Bei eurer Ehre!"

Rern: "Wenn es denn sein muß... Moment, ich hole das Geld. Ich füge hinzu, schweren Herzens."

Kelf: "Ahja, vielen Dank. Ich vertraue euch, edler Ritter, daß dies 200 Goldmünzen sind."

Rern: "Wagt es nicht, über meine Lage zu spotten. Ihr habt mich über's Ohr gehauen."

Kelf: "Aber das könnt ihr doch verschmerzen, oder? Eure Sammlung der kuriosen Dinge ist damit um einen wichtigen Gegenstand gewachsen. Der Kauf war es sicherlich wert, eure Tabellen werden nicht gelogen haben."

[Kelf wieder zur "Kellerkneipe". Dort.]

ALLE(außer Kelf): "Was?? Und das hat er dir gegeben? Unglaublich, wir sind reich!"

Kelf: "So ist es. Das macht für jeden etwa 27 Goldstücke. Ich gehe mich erstmal ausrüsten, wie es sich für jemanden meines Standes gebührt."

Titan: "Waffen pfundweise... "

Pireus: "Zaubersprüche bändeweise... "

Diabba: "Wurfsterne stapelweise... "

[Alle Ab. Kerker von Mara.]

Alle: "Was?? Verhaftet? Warum?"

Offizier: "Wegen Besitz und Verbreitung von Falschgeld. Und jetzt gebt Ruhe. Ihr kommt jetzt in diese Zelle und wartet bis der Sheriff persönlich kommt. Basta!"

[Lange Pause.]

Sheriff: "So, was sagt ihr zu den Anschuldigungen und den Beweisen?"

Shantilla: "Wir haben NIE etwas mit Falschgeld zu tun gehabt. Wir sind unschuldig, glauben Sie mir. Ich bin schließlich als Bardin zur Wahrheit verpflichtet."

Sheriff: "Da wärst du aber die erste."

Kelf: "Ihr wagt es einen Sohn des Fürsten von Falkenstein der Freiheit zu berauben? Rechtfertigt euch!"

Sheriff: "Ich bin Ritter Rotelk von Zobelingen und vertrete für den Baron von Berbershausen das Recht in Mara. Noch Fragen?"

Pireus: "So geht das also im Shu-tan-land. Wenn man nicht mehr weiter weiß, einfach einen Ausländer verhaften. Ich will sofort den Botschafter der Sumatary sprechen."

Rotelk: "Sowas habt ihr Barabaren garnicht. Und was möchte der Kleine dort dazu sagen? Dich kenne ich doch irgendwoher!"

Artax: "Ähh, das kann nicht sein, ich habe nichts damit zu tun."

Rantollo: "Ich habe keine einzige Münze ausgegeben, ehrlich. Laßt mich frei."

Titan: "Klar, du Geizkragen, du brütest auf ihnen 'rum!"

Rotelk: "Ruhe! Wo kommt denn eurer Meinung nach das Geld her, was ihr so frei unter die Leute gebracht habt?"

Kelf: "Wir haben dem Ritter Rern von Waldeck einen Spaten verkauft. Das war das einzige Geld, was wir hatten."

Rotelk: "Wieviel war es denn?"

Kelf: "200 Goldstücke."

Rotelk: "Für einen lächerlichen Spaten??"

Kelf: "Naja, er leuchtet am Schaufelende... "

Rotelk: "... und trällert vielleicht bei der Arbeit ein kleines Liedchen?"

Titan: "Nein, so ein Blödsinn."

Rotelk: "Das denke ich aber auch! Ist das alles, was euch einfällt? Dann erscheint mir eure Lage ziemlich aussichtslos."

Artax: "Sollen wir uns eine bessere Geschichte ausdenken? Lassen Sie uns eine Nacht Zeit."

Rotelk: "Ihr solltet die Wahrheit sagen, das ist am besten."

Diabba: "Aber das war die Wahrheit!"

Rotelk: "Das glaube ich euch nicht und welcher Richter soll euch das glauben? Wenn es tatsächlich die Wahrheit ist, dann gehört ihr schon wegen dieser Dummheit eingesperrt. Ein 200 Goldstücke teurer Spaten! Obwohl ihr gerade eure Unfähigkeit unter Beweis stellt, habe ich euch einen Vorschlag zu machen."


In den Rolemaster Regeln standen blödsinnige Preise, auf die mich (den SL) die Spieler festnagelten. Rache ist süß!


Copyright 1996 Michael Jung < miju@phantasia.org >
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